Zweigwerke ausserhalb Deutschlands


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Übersicht Lokomotivhersteller

Obwohl die Lokomotivfabriken in Deutschland ihre Produkte weltweit vertrieben, hatten diese aber nur relativ wenige Zweigwerke im Ausland, welche selbst auch Lokomotiven bauten. Selbst die "großen" Hersteller wie Henschel, Borsig oder auch die HANOMAG hatten keine Standorte mit eigenem Lokbau im Ausland. Viel mehr hatten diese großen, wie auch die vielen kleinen Hersteller, u.a. Smoschewer ein weltweites Händler- und Filial-Netze und ggf. auch Werkstätten zur Reparatur im Ausland.

Mit dem Händler- und Filalnetz führend war sicher auch Orenstein & Koppel, in deren Werken im Ausland zwar auch "Bahnmaterial" wie Gleise, Loren und Waggons hergestellt wurden, der Lokomotivbau blieb jedoch den Werken im Inland vorbehalten. Erst im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurde der Lokomotivbau von O&K in Nordhausen ins Zweigwerk nach Prag verlagert und dort 1943 der Lokomotivbau aufgenommen. Nach 1945 wurden dann auch (wenige) Lokomotiven in der Vertretung Zürich in der Schweiz gebaut, sowie im Werk Seosto in Italien. In diesem waren schon vorher Lokmotiven montiert worden, deren Bauteile (Motor, Getriebe, Umhüllung) von Werk Nordhausen geliefert wurden.

Die wenigen "richtigen" Zweigwerke im Ausland mit Lokbau von Beginn an, wurden von den jeweiligen Herstellern allesamt selbst gegründet und aufgebaut. Zu einem Aufkauf von bestehenden Werken, um in diesen dann die eigene Produktion aufzunehmen, kam es nicht. Eine Ausnahme in gewisser Weise bilden die ab 1938 okkupierten Lokomotivfabriken, die zum Teil unter der Führung von deutschen Lokherstellern standen und Kriegslokomotiven fertigten, jedoch sind diese sicher nicht als Zweigwerke im üblichen Sinne zu sehen.

Letzendlich bleibt noch anzumerken, dass heute einer der größten Lokomotivhersteller in Deutschland, nämlich Bombardier, ein kanadisches Unternehmen ist und die Bombardier-Standorte wie Kassel und Hennigsdorf so heute praktisch Zweigwerke eines ausländischen Unternehmens in Deutschland sind. Auch dies ist in Deutschland ein seltener Fall, denn es haben nur wenige ausländische Lokomotivhersteller in Deutschland ein Zweigwerk selbst eröffnet. Zu den wenigen zählt das BBC-Werk Mannheim als Zweigwerk des BBC-Stammwerks in Baden in der Schweiz.

Die folgende Liste gibt einen Überblick über die Zweigwerke im Ausland, die als Lokfabrik gegründet wurden (Übernahmen ausländischer Werke und Werke im Ausland, die erste später den Lokbau aufnahmen, bleiben hier unberücksichtig):

 
KurzbezeichnungName und Link zur LieferlisteStandortEntwicklung
Krauss-LinzKrauss, Werk Linz Linz a.d. Donau, Österreich
  • Das Krauss-Zweigwerk in Linz wird am 1. September 1880 gegründet, um die Importzölle nach Österreich zu umgehen. Die in Linz ab 1882 gebauten Lokomotiven werden in die Fabriknummernzählung des Stammwerks München ab FNr. 836 mit eingezählt.

  • Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs geht das Zweigwerk Linz 1918 an die Österreichische Eisenbahn Verkehrsanstalt. Von nun an gibt es eine eigene Fabriknummernzählung, die mir der FNr. 1171 beginnt, da bis dahin 1170 in Linz gebaut worden waren.

  • 1930 endet der Lokomotivbau nach weiteren 350 gebauten Lokomotiven mit FNr. 1521, denn das Werk wird von der Wiener Lokomotivfabrik Aktiengesellschaft, Wien-Floridsdorf, übernommen und stillgelegt.

ME-SaronnoCostruzioni Meccaniche Saronno Saronno, Italien
  • Das Zweigwerk der Maschinenfabrik Esslingen im italienischen Saronno wird 1887 gegründet. Die hier ab 1889 gebauten Lokomotiven werden anfänglich in die laufende Fabriknummernzählung des Stammwerks Esslingen mit eingezählt (ab FNr. 2323). 1895 erhalten aber diese Lokomotiven nachträglich eine eigene Fabriknummernzählung beginnend mit FNr. 1. Ein paar Maschinen erhalten aber auch noch Jahre später neben der Saronno-Fabriknummer sporadisch auch eine Nummer des Stammwerks Esslingen.

  • Mit Beginn des Ersten Weltkriegs geht das Zweigwerk in Saronno an Italien und wird vom Ingenieur N. Romeo geleitet und später in "Costruzzioni Elettromeccanich di Saronno S.A. CEMSA" umbenannt.

  • 1932 endet der Lokomotivbau mit FNr. 976 nach mindestens 868 in Saronno gebauten Lokomotiven, hinzu kommt ein Tender. Da zu 107 Fabriknummern kein Angaben vorliegen, könnten sogar bis zu 975 Lokomotiven hier gebaut worden sein.

ÖSSWSiemens & Halske, Zweigwerk Wien Wien, Österreich
  • Das "Wiener Technische Büro von Siemens & Halske, Berlin" nimmt 1883 die eigene Fertigung in den Werkstätten in der Apostelgasse auf. Die ersten beiden Lokomotiven gehen im selben Jahr an die Ausstellungsbahn im Wiener Prater, weitere Lokomotiven folgen allerdings erst 1894.

  • In den SSW-Referenzlisten werden bis 1903 insgesamt 63 im Wiener Werk gebaute Lokomotiven genannt. Im selben Jahr erfolgt die Vereinigung der Starkstromabteilung von Siemens & Halske mit den Österreichischen Schuckertwerken zur "Österreichischen Siemens-Schuckert Werke AG" (ÖSSW AG) in Wien.

Hartmann-LuganskRussische Maschinenbaugesellschaft Hartmann Luganks, Russland
  • Die Chemnitzer Sächsische Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann AG gründete am 3. Mai 1896 die "Russische Maschinenbaugesellschaft Hartmann" in Lugansk (Luhansk) in der Ukraine. Von den ab diesem Tag gezeichneten insgesamt 40.000 Aktien hält Gustav Hartmann 1.000 und Mitbegründer Ivan Goldschmitt 600 Aktien. Die ersten Lokomotiven werden im August 1900 ausgeliefert und erhalten dabei eine eigene Fabriknummernzählung. Die Anzahl der pro Jahr gebauten Lokomotiven, allesamt für Bahnen in Russland, ist dabei genau bekannt. Eine Liste mit Fabriknummern ist jedoch, soweit bekannt, nicht erhalten geblieben.

  • Mit der Oktoberrevolution 1917 geht das Zweigwerk in russischen Besitz und wird als "Lokomotivfabrik Oktoberrevolution" umbenannt. Bis dahin wurden 2116 Lokomotiven in Lugansk gebaut, immerhin in etwa schon die Hälfte der bis dahin im Stammwerk in Chemnitz von 1847 bis 1917 gebauten Lokomotiven. Und während das einstige Stammwerk in Chemnitz 1929 der Lokomotivbau aufgeben muss, wird das Werk in Lugansk zum selben Zeitpunkt erweitert und in den folgenden Jahren zur größten Lokomotivfabrik in Europa ausgebaut. Bis 1941 sind über 8000 Lokomotiven geliefert, bis zum Ende des Dampflokbau 1956 sind es über 12.000 Dampflokomotiven. Zu diesem Zeitpunkt werden bereits Großdiesellokomotiven gebaut, Ende der 1970er Jahre ist die Produktionsrate auf bis zu 200 Lokomotiven pro Monat angestiegen.

  • Entsprechend der Umbenennung von Lugansk in Woroschilowgrad firmierte das Werk dabei von 1935 bis 1958 und von 1970 bis 1992 unter "Lokwerk Oktoberevolution Woroschilowgrad". Mit der Auflösung der UdSSR wird das Werk am 3. Oktober 1995 von der Ukraine unter dem Namen OAO Luganskteplovoz verstaatlicht. 2007 gelangt es im Zuge der Privatisierung an die Maschinenfabrik Brjansk, welche zur russischen Transmashholding gehört und unter der auch heute noch in Lugansk Lokomotiven gebaut werden. Die Transmashholding beinhaltet u.a. die Werke Kolomna und von 2006 bis 2008 auch die deutsche Fahrzeugtechnik Dessau AG.

 


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© Jens Merte